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I N H A L T
Mein Freund im Walde

Mein Freund im Walde
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Hab mich ja heut ein wenig beeilen müssen. War ich doch ermahnt worden, nur ja pünktlich zu sein. Nun denn, seinen Freund läßt man nicht warten. Sitze nun also hier oben bei ihm, zur rechten Zeit, doch heftig atmend. Kurz nur und formlos war die Begrüßung, wie es sonst nicht seine Art ist. Und heftig hervor-gestoßen sind nun die Worte.
"Da! Hab ich es nicht gesagt? Da ist er wieder! Geht nun wohl schon die zweite Woche so. Kommt heraus aus dem Städtchen in nervtötender Regelmäßigkeit. Her zu uns hier in den Wald. Und spricht Gewichtiges. Ha! Seit ein paar Tagen ist Neues in Arbeit. Über mein Volk. Das solltest Du hören. Nun aber! Sieh ihn Dir an! Hübsch zerzaust ist er, nicht wahr?"
Wie er es immer tut, wenn er aufgeregt ist, hüpft mein gefiederter Freund nach einer Handvoll Sätzen auf einen anderen Ast. Wie immer erschreck ich ein wenig.
"Aber nicht das ist es, was mich so aufregt. Hören mußt Du ihn. Hööören! Trriiillltiktik!"
Eine bestimmte Bewegung muß es wohl sein, die ich mache, wenn er in seine Sprache fällt. Ein Blick ist ihm eigen für so etwas. So versteh ich ihn alsbald wieder.
"Stell Dir vor, da käme einer daher und schwärmte Dir von der Schönheit des Lebens auf einer Eisscholle im Norden. Sehen möcht ich Dich dann, Frostbeule, die Du bist!"
Ich ---- halt den Mund dann doch lieber zu. Hat ja recht, mein bunter Freund.
Und noch mehr zu zetern:
"Der aber kommt her und brüllt heraus, was er Verse nennt, daß es in den Ohren gellt. Von der Stille des Waldes und dergleichen. Murmelnde Bäche..."
Schwupp - mitten im Satz - der Ast über mir wippt. So muß ich denn halt ein Weilchen hochschauen.
"...ha, murmeln. Tät er's doch! Und rauschende Bäume! Nein, rauschen tut er auch nicht. Stattdessen - weitere Verse. So wohlklingend, daß man gleich wieder nach Afrika ziehn möcht. Hör doch hör doch hör doch......jetzt erdreistet er sich, von unsereiner Liebes­werbung zu plappern".
Astwechsel. So kann ich meinen Hals denn wieder drehen. Nach unten schaun dann, wo er kommt, der Dichtersmann, der wackere. Und lauschen...
"Hast es gehört? Und genossen? Hübsch, nicht?"
Ja, ich habe. Wie mag man das je wieder aus den Ohren bekommen:

"Der Vogelmann, er tirilieret laut,
auf daß ihn höre seine liebe Braut.
Sie eilt herbei mit schnellen Flügelschlägen,
denn seinem Werben ist sie gleich erlegen"

Schade, am Baum nebenan sind schöne, kernige Zapfen. Herüberreichend bis ans Ende des Astes, auf dem ich sitze. Doch da wag ich mich nicht hin. Bin etwas schwerer als mein Freund. Hab ich denn nichts zum Werfen...
"Keine Ahnung, der Quatschkopf, keine Ahnung! Gleich erlegen - ha, daß ich nicht. Die Seele aus dem Leib schreien muß ich mir erst, und das ein paar Tage, bis eine von den..."
Schwirr. Wo ist er denn - ach da.
"...Damen überhaupt erst einmal sitzen bleibt für eine Weile, geschweige denn und die anderen Kerls sind ja auch nicht faul. Feste Regeln gilt es dabei einzuhalten in Ton und Rhythmus, nicht alles ist uns innewohnend, was dazu vonnöten ist. Euresgleichen aber nennt's dann Gesang und findet's schön. Ha! Arbeit ist's, nichts weiter, sag ich Dir, Arbeit, und keine leichte".
Ja ja, ein kleines Schlitzohr, das ist er schon. Er weiß natürlich, daß sich wirklich gut anhört, was er abliefert als sauberes Stück Arbeit. Ich sags ihm dann auch in aller Form, das versteht sich wohl. Doch hält ihn das nicht ab, mich weiter hinzuweisen auf die durch den Wald schallenden Perlen der Dichtkunst.
"Paß auf nun, es mag Dir sonst eine besonders schöne Stelle entgehen!"
Der Dichter indes spürt wohl, daß hier unter unserem Baum ein geeigneter Ort zum rezitieren ist:

"Sodann fliegt unser Vogelmann
herum und zeigt ihr, was er kann.
Spreizt sein Gefieder, bunt und schön,
sie tut es mit Vergnügen sehn."

Nur gut, daß er kein Adler ist, mein aufgeplusterter Freund. Wo er sich doch eben in eine gelinde Wut hineinsteigert.
"Sowas von dämlich, der Kerl, nicht auszuhalten. 'Mit Vergnügen sehn' - ha! Schwachsinn! Ich muß ganz einfach zeigen, was ich darstell, ob gut im Futter ich steh und dergleichen Dinge. Währenddessen aber denkt sie nichts als 'Laß doch sehn, kann dieser da mich und unsere Brut wohl sicher versorgen?'. Dieser Worteverknoter aber schwadroniert vom Liebestanz in der Luft!"
Freilich hab ich das gewußt auf meine Weise, was er mir hier vorschimpft. Doch wollt ich es so genau wissen? Unsereins neigt halt zum vergoldenden Blick.
Hab mir dessenungeachtet dann aber weiterhin die Auslassungen des Dichterfürsten angetan. Nebenbei, doch mit Erstaunen bei mir die Fähigkeit entdeckend, Lautäußerungen des Weinens und des Lachens gleichermaßen gut unterdrücken zu können.

Ach, wie hat mein Freund noch wettern können im Weiteren. Und zu merken war es wohl, wie es ihm gut getan. Mußt er doch als Hohn auffassen Vieles, obgleich es sicherlich nur unbedacht gewesen. Im Besonderen, als der Verseschmied zu Nestbau und Nachwuchs geschwafelt. Nichts aber sagte von den Gefahren des Waldes. Gut, daß ich zur Stelle war, meinem Freund zuzuhören. Froh aber auch dann, als der fleißige Verseschreier seine Schritte nach Haus gelenkt. So daß ich mich dann ebenfalls in geziemender Form verabschieden konnte.

Bin dann vorsichtig, weil etwas steif, vom Baum geklettert und recht still nach Haus gegangen. Hab auch das Gefühl des "nochmal Glück gehabt" gespürt. Hatte nämlich vorweg nichts der Art gesagt, daß er doch ein glückliches Wesen sei, da er doch anders als unsereins, sich ergehen kann in Wald und Flur, vergnüglich und unbeschwert. Sich auch nicht kümmern braucht um Fahrkosten und Verbindungen heraus aus der Stadt, der lärmerfüllten, naturfremden. Da hätt ich wohl doch diese oder jene Bemerkung einstecken müssen vom Spitzzüngigen. Unsere Freundschaft wär freilich daran nicht zerbrochen. Er weiß die Worte wohl zu setzen in der Art, daß sie der Person angemessen. Und nicht schaden, wo sie nicht schaden sollen. Aber die Ohren gefärbt mit sattem Rot hätt es mir wohl. Das kann er gut, mein gefiederter Freund, und den passenden Blick dazu hat er dann.

So hab ich denn gezeigt bekommen, daß es wichtig ist mitunter, zuzuhören, hintanstellend das Eigene, und bevorzugt zu ernsteren Anlässen als hier beschrieben. Und zu schauen hin und wieder im Kreis der Lieben oder Bekannten, ob denn Bedarf bestehe oder geworden ist an einem Zuhörenden. Sind wechselhaft, die Lebensumstände, weshalb man die Aufmerk­samkeit nicht verkümmern lassen sollte. Und bedarf man nicht zu Zeiten auch der Aufmerksamkeit anderer?

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